Johann Crüger

1598–1662

Stich von Albrecht Christian Kalle, 1641

Johann Crüger

1598–1662

Manchmal beflügelt die Begegnung zweier Menschen ihr Können, motiviert sie zu gesteigerter Kreativität und führt sie zu produktiven Sternstunden. Eine solche Sternstunde kirchenmusikalischer Art liegt in dem Zusammentreffen von Johann Crüger und Paul Gerhardt im Berlin des 17. ­Jahrhunderts. Im Jahre 1657 wird der fünfzig­jährige Gerhardt an die Nikolaikirche berufen. Dort ist Crüger, neun Jahre älter, schon seit 1622 als Kirchenmusiker tätig. Fünf Jahre der beruflichen Zusammenarbeit sind dem Kantor und dem Pfarrer geschenkt. Kennengelernt haben sie sich schon früher, vielleicht 1643, als Gerhardt wohl erstmalig nach Berlin kam. Doch wie kam der Musiker dazu, sich mit der Vertonung von Liedtexten einen unvergänglichen Namen zu machen? Wie sah sein Lebensweg aus?

Crüger wird am 9. April 1598 in Groß Breesen im heutigen Guben geboren, das damals zu Böhmen gehört. Nach dem Besuch der Lateinschule begibt er sich als 15-jähriger auf Wanderschaft. Ein weiterhin lernender, suchender junger Mann, der seine Berufung und seinen Beruf zu erspüren hat, so stelle ich mir Crüger wenige Jahre vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges vor. Sorau, Breslau, Olmütz (Jesuitenkolleg), Regensburg (»Poetenschule«) sind ­einige Orte, an denen er sich aufhält. In der Stadt an der Donau begegnet er der modernen Musik Giovanni Gabrielis, dessen Schüler Paul Homberger Crügers Lehrer wird. Weiter zieht Crüger durch Österreich und Ungarn, wo er sich einige Zeit in Preßburg aufhält, durch Mähren und erneut durch Böhmen nach Freiberg in Sachsen. Zwei Jahre des Reisens liegen hinter ihm, als er 1615 wohl erstmalig Berlin betritt. Weitere Reisejahre folgen. Für ein Theologiestudium zieht er in die lutherische Hochburg Wittenberg. Seine guten musikalischen Kenntnisse verschaffen ihm aber bereits 1622 die Berufung nach Berlin. Als Kantor an der Nicolaikirche ist er zugleich Lehrer, und zwar am landesweit berühmten Gymnasium Zum Grauen Kloster. Pädagogik und Kirchenmusik, auch heute eine wieder neu bedachte Kombination für den Kantorenberuf. Gewichtige theoretische Schriften publiziert Crüger ebenso wie Kompositionen für die Praxis an St. Nicolai.

In gewissem Sinne ist Crüger ein ökumenisch Agierender. Im Auftrag des reformierten Hofes – 1613 »konvertiert« Kurfürst Johann Sigismund zum Calvi­nismus, die Stadt und damit die Bürger­schaft bleibt lutherisch – gibt er 1658 die »Psalmodia sacra« heraus, die unter anderem das Liedgut der Reformierten, den »Genfer Psalter« in der deutschen Übertragung durch Ambrosius Lobwasser, enthält. Das Gesangbuch allerdings, das mit Crügers Namen unauslöschlich verbunden bleiben wird, ist die »Praxis pietatis melica«, die bis Mitte des 18. Jahrhunderts fast fünfzig Auflagen erlebt. In ihr finden sich nach und nach die über siebzig Melodien Crügers, unter anderem »Wie soll ich dich empfangen«, »Auf, auf, mein Herz, mit Freuden«, »Schmücke dich, o liebe Seele«, »Nun danket all und bringet Ehr«, »Jesu, meine Freude« und »Lobet den Herren alle, die ihn ehren«. Crüger muss beliebt und anerkannt gewesen sein, der Stadt zugewandt, den Freuden des Lebens nicht abgeneigt, auch wenn die strengen Gesichtszüge, die wir in den Porträts sehen, wohl manche seiner 19 Kinder von Zeit zu Zeit gefürchtet haben müssen. Der wahrscheinlich bedeutendste Melodienschöpfer des evangelischen Kirchenliedes seit der Reformationszeit stirbt 1662 im Alter von 63 Jahren in Berlin und wird an seinem ehemaligen Wirkungsort, in der Nicolaikirche, bestattet.

Wie soll ich Dich empfangen (EG 11)

1. Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich dir, o aller Welt Verlangen, o meiner Seelen Zier? O Jesu, Jesu, setze mir selbst die Fackel bei, damit, was dich ergötze, mir kund und wissend sei.

2. Dein Zion streut dir Palmen und grüne Zweige hin, und ich will dir in Psalmen ermuntern meinen Sinn. Mein Herze soll dir grünen in stetem Lob und Preis und deinem Namen dienen, so gut es kann und weiß.

3. Was hast du unterlassen zu meinem Trost und Freud, als Leib und Seele saßen in ihrem größten Leid? Als mir das Reich genommen, da Fried und Freude lacht, da bist du, mein Heil, kommen und hast mich froh gemacht.

4. Ich lag in schweren Banden, du kommst und machst mich los; ich stand in Spott und Schanden, du kommst und machst mich groß und hebst mich hoch zu Ehren und schenkst mir großes Gut, das sich nicht lässt verzehren, wie irdisch Reichtum tut.

5. Nichts, nichts hat dich getrieben zu mir vom Himmelszelt als das geliebte Lieben, damit du alle Welt in ihren tausend Plagen und großen Jammerlast, die kein Mund kann aussagen, so fest umfangen hast.

6. Das schreib dir in dein Herze, du hochbetrübtes Heer, bei denen Gram und Schmerze sich häuft je mehr und mehr; seid unverzagt, ihr habet die Hilfe vor der Tür; der eure Herzen labet und tröstet, steht allhier.

7. Ihr dürft euch nicht bemühen noch sorgen Tag und Nacht, wie ihr ihn wollet ziehen mit eures Armes Macht. Er kommt, er kommt mit Willen, ist voller Lieb und Lust, all Angst und Not zu stillen, die ihm an euch bewusst.

8. Auch dürft ihr nicht erschrecken vor eurer Sünden Schuld; nein, Jesus will sie decken mit seiner Lieb und Huld. Er kommt, er kommt den Sündern zu Trost und wahrem Heil, schafft, dass bei Gottes Kindern verbleib ihr Erb und Teil.

9. Was fragt ihr nach dem Schreien der Feind und ihrer Tück? Der Herr wird sie zerstreuen in einem Augenblick. Er kommt, er kommt, ein König, dem wahrlich alle Feind auf Erden viel zu wenig zum Widerstande seind.

10. Er kommt zum Weltgerichte: zum Fluch dem, der ihm flucht, mit Gnad und süßem Lichte dem, der ihn liebt und sucht. Ach komm, ach komm, o Sonne, und hol uns allzumal zum ewgen Licht und Wonne in deinen Freudensaal.

Text: Paul Gerhardt 1653 Melodie: Johann Crüger 1653

Johann Crüger:
Wie soll ich dich empfangen (EG 11) – Athesinus Consort Berlin, Klaus-Martin Bresgott

Johann Crüger (1598–1662), Stich von Albrecht Christian Kalle, 1641