Philipp von Zesen
1619–1689
Philipp von Zesen
1619–1689
Der Dichter, Schriftsteller und Wort-Erfinder Philipp von Zesen wurde am 8. Oktober 1619 in Priorau bei Dessau geboren. Als Sohn des lutherischen Pfarrers Philipp Zesen und seiner Frau Dorthe wuchs er in einem von Bildung geprägten Pfarrhaus auf. Nach der Grundschule besuchte Philipp von Zesen die Lateinschule in Halle (Saale) und ließ sich dort für Sprachen und grammatikalische Feinheiten begeistern.
Von 1639 bis 1641 studierte er in Wittenberg bei August Buchner (1591–1661), einem Altphilologen, Poeten und Literaturtheoretiker, Rhetorik und Poetik. Im Herbst 1641 ging er nach Hamburg, arbeitete dort bei einem Buchdrucker sowie als freier Schriftsteller und lernte Johann Rist (1607–1667) kennen, der als Pastor im benachbarten Wedel tätig und ein angesehener Poet und Dichter von Kirchenliedern war. In diesem Jahr schreibt Philipp von Zesen selbst ein Kirchenlied: »Die güldene Sonne bringt Leben und Wonne«. Es ist bis heute Teil des Evangelischen Gesangbuchs (EG 444). 1642 erschien in Hamburg »Frühlingslust«, seine erste größere Liedersammlung. Im Herbst 1642 zog Philipp von Zesen nach Leiden, dann nach Amsterdam, wo er als Übersetzer und Korrektor arbeitete und eigene Bücher schrieb, unter anderem der Roman »Ibrahim«.
Um sein Netzwerk zu erweitern, reiste Philipp von Zesen nach London und auch immer wieder nach Hamburg, wo er 1642/1643 die Sprachgesellschaft »Deutschgesinnte Genossenschaft« gründete, die zunächst »Deutsch-Zunft« hieß. Ziel dieser Gesellschaft, der Philipp von Zesen vorstand, war es, die deutsche Sprache von fremden Einflüssen zu reinigen. Das waren vor allem Latein und Altgriechisch. Diese Idee führte zu Worterfindungen wie »Ausflug«, »Abstand«, »Augenblick«, »Verfasser« und »Leidenschaft« statt »Exkursion«, »Distanz«, »Moment«, »Autor« und »Passion«. Außerdem stammen von ihm die Wörter »Glaubensbekenntnis«, »Kreislauf«, »Weltall« und »Rechtschreibung« anstelle von »Credo«, »Zirkulation«, »Universum« und den aus dem Griechischen entsprungenen Begriff »Orthografie«. Nicht alle seiner Wortneuschöpfungen haben sich durchgesetzt, wie zum Beispiel »Tageleuchter« für »Fenster« als Ableger des lateinischen »fenestra«. Genauso unverwendet blieb der »Weiberhof«, der den aus dem Persischen stammenden Begriff »Harem« ablösen sollte, was als »heiliger Ort« zu übersetzen wäre. Und die Mumie wird bis heute nicht als »Dörrleiche« bezeichnet.
Zum Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 verließ er die Niederlande und ging zurück in seinen Geburtsort Priorau. Vermutlich hielt er sich zwischenzeitlich auch in Amsterdam auf. 1649 wurde Philipp von Zesen in die »Fruchtbringende Gesellschaft«, der ersten deutschen Sprachakademie, aufgenommen. Ab 1652 war er am Dessauer Hof der Gesellschafter seines Landesfürsten Johann Kasimir von Anhalt-Dessau (1596–1660). 1653 wurde Philipp Zesen von Kaiser Ferdinand III. (1608–1657) auf dem Reichstag zu Regensburg geadelt, womit das »von« in seinen Namen kam. 1655 oder 1656 zog er wieder nach Amsterdam, außerdem reiste er mehrmals ins Baltikum.
Philipp von Zesen verfasste zahlreiche sprach- und literaturtheoretische Werke, teilweise schrieb er unter dem Pseudonym »Ritterhold von Blauen«. Philipp von Zesen gilt als der erste Berufsschriftsteller, sein 1645 veröffentlichter autobiografisch gefärbter Roman »Die Adriatische Rosemund« ist der erste große deutsche Roman der Barockliteratur. Darin geht es um das Seelenleben eines Liebespaares, dessen Glück an der unterschiedlichen Konfessionszugehörigkeit scheitert. Philipp von Zesens Poetik seiner geistlichen und weltlichen Gedichte hat einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung der Metrik im Deutschen. Insgesamt verfasste er etwa 90 Bücher verschiedenster Coleur. Oft verarbeitete er Motive aus der Bibel, zum Beispiel in den Romanen »Assenat« (1670) und »Simson« (1679). Mit 53 Jahren heiratete er 1672 die 18-jährige Leinwandhändlerin Maria Becker aus Stade, mit der er ab 1683/84 nach Hamburg zog. Dort starb Philipp von Zesen 70-jährig am 13. November 1689.
Philipp von Zesen:
Die güldene Sonne bringt Leben und Wonne (EG 482) – Athesinus Consort Berlin, Lilienfelder Cantorei Berlin, Klaus-Martin Bresgott (CD »Choral:gut! Die schönsten Lieder des Gesangbuchs«, 2012)
Die güldene Sonne
bringt Leben und Wonne
(Hamburg 1641)
1. Die güldene Sonne
bringt Leben und Wonne,
die Finsternis weicht.
Der Morgen sich zeiget,
die Röte aufsteiget,
der Monde verbleicht.
2. Nun sollen wir loben
den Höchsten dort oben,
dass er uns die Nacht
hat wollen behüten
vor Schrecken und Wüten
der höllischen Macht.
3. Kommet, lasset uns singen,
die Stimme erschwingen,
zu danken dem Herrn.
Ei bittet und flehet,
dass er uns beistehet
und weiche nicht fern.
4. Es sei ihm gegeben
mein Leben und Streben,
mein Gehen und Stehn.
Er gebe mir Gaben
zu meinem Vorhaben,
lass richtig mich gehen.
5. In meinem Studieren
wird er mich wohl führen
und bleiben bei mir,
wird schärfen die Sinnen
zu meinem Beginnen
und öffnen die Tür.
Kirchen / Wirkungsstätten
- Dorfkirche Priorau, Priorau
- Georgenkirche, Dessau-Roßlau
- Hauptkirche St. Nikolai, Hamburg-Harvestehude
- Hauptkirche St. Petri, Hamburg
- Hallescher Dom, Halle (Saale)
- Hauptkirche St. Jacobi, Hamburg
- Hauptkirche St. Katharinen, Hamburg
- Johanniskirche, Dessau-Roßlau
- Pauluskirche, Dessau-Roßlau
- Pauluskirche, Halle (Saale)
- Stadtkirche St. Marien zu Wittenberg, Lutherstadt Wittenberg
- Schlosskirche Allerheiligen, Lutherstadt Wittenberg