Katharina Zell

1497–1562

Wandmalerei am »Reformationsgarten« am Künstlerhaus in Wittenberg

Katharina Zell

1497–1562

Katharina Zell, geborene Schütz, hat als Laientheologin reformatorische Gedanken öffentlich verteidigt, Flugschriften verfasst, vier Gebet- und Gesangbuch als bezahlbares Liedbüchlein im Taschenformat mit Liedern von Michael Weiße aus dem Gesangbuch der Böhmischen Brüder 1531 in den Jahren 1534 bis 1536 in Straßburg drucken lassen. Sie ist eine unerschrockene, undogmatische Frau, die das Rückgrat hat, nicht nur dem Bischof öffentlich zu widersprechen, sondern auch den großen Reformatoren Luther und Calvin. Sie kämpft für ein Christentum mit menschlichem Gesicht. Sie war eine wortgewaltige »Kirchenmutter«, Reformatorin und Flüchtlingshelferin.

Katharina Zell wurde als Tochter eines Schreinermeisters zwischen 15. Juli 1497 und 15. Juli 1498 in Straßburg geboren. Als junges Mädchen beschäftigte Sie sich schon mit religiösen Fragen, besuchte intensiv den Gottesdienst und hat, wie sie selbst einmal schrieb, »Alle Pfarherr vnnd kirchen verwandten geliebt vnnd geförchtet«. Bereits 1521 predigte Matthäus Zell im Straßburger Münster im Sinne der Reformation. Katharina gehörte zu den Zuhörern und Matthäus Zell wurde auf sie aufmerksam. In öffentliche Auseinandersetzungen in Straßburg mischte sich Katharina ein, indem sie dem Straßburger Bischof Wilhelm III. von Hohnstein »rauhe Briefe« schrieb.

Am 3. Dezember 1523 heiratete sie den Reformator Matthäus Zell in Straßburg und verfasste 1524 ihre ersten zwei literarischen Werke. In der eine Schrift verteidigt sie den Zölibatsbruch ihres Mannes und die Priesterehe, die andere Schrift ist als Trostbrief an die evangelisch gesinnten Frauen von Kentzingen gerichtet, deren Männer ins Exil nach Straßburg gehen mußten. Ihre Schriften offenbaren die Bandbreite ihres literarischen Schaffens, das von seelsorgerlich-theologischen, katechetischen bis hin zu polemischen Schriften reichte. Sie kümmerte sich um Arme, Kranke, Leidtragende und Gefangene. An der Seite ihres Mannes bemühte sie sich um ein gastfreies Pfarrhaus. Das große Münster-Pfarrhaus glich oft einer Herberge für Schutzsuchende und Notleidende. In den Tagen des Bauernkrieges und der Hungersnot waren es oft an 100 Menschen, die hier versorgt wurden.

1534 bis 1536 veröffentlichte sie vier kleine Gesangbüchlein im Heftformat unter dem Titel »Von Christo Jesu unserem Seligmacher« mit Liedern aus dem hoch geschätzten Gesangbuch der Böhmischen Brüder 1531 von Michael Weiße, die für wenig Geld erhältlich waren. Im Vorwort und in den Anmerkungen offenbarte sie ihre katechetischen, pädagogischen und seelsorgerischen Ziele, die sie mit dieser Veröffentlichung als Ziel verfolgte. Der ganzen Gemeinde, Frauen, Männern, Knechten, Mägden samt den Kindern sollten gute Texte mit zentralen Inhalten der evangelischen Lehre zu Gebet und Gesang für die tägliche Hausandacht oder zum privaten Gebrauch zur Verfügung stehen und als Laienkatechismus benutzt werden. Ihre Liedtexte folgten der Ordnung des Kirchenjahres. Damit reagierte sie schnell und praktisch auf die Bedürfnisse der Gemeinde, die nach evangelischen Liedern und der Beibehaltung des gewohnten Kirchenjahres, das in Straßburg 1524/25 zunächst abgeschafft worden war, verlangte. Sie wünscht in ihrem Vorwort diesen Liedern von Michael Weiße, »daß sie der Handwerksgesell ob seiner Arbeit, die Dienstmagd ob ihrem Schüsselwaschen, der Acker- und Rebmann auf seinem Acker und die Mutter dem weinenden Kinde in der Wiege singe«.

Auf ihren Reisen – auch ohne ihren Mann – besucht sie Gelehrte und Reformatoren in Zürich, in Konstanz, in Nürnberg. Nach 1538 begleitete sie ihren Gatten nach Wittenberg, wo sie mit ihrem Mann und Martin Luther über die Fragen der Abendmahlskonkordie sprach. Sie war weitherzig genug, neben Luther auch Ulrich Zwingli, Kaspar Schwenckfeld und die Täufer gelten zu lassen. Auch wenn über theologische und ekklisiologische Einzelfragen wie Kirchenstrukturreformen, die Notwendigkeit eines Patenamtes bei der Taufe oder das Abendmahlsverständnis mit Martin Bucer und anderen heftig gestritten wurde, zerbrachen die alten Bande und Freundschaften nicht. Als dann Martin Bucer und Paul Fagius nach der Niederlage von Schmalkalden ins Exil gehen mussten, verbarg sie Katharina vor ihrer Abreise nach England in ihrem Haus. Eine hervorgehobene Rolle in der Armenpflege spielte übrigens Katharina Zell als Hauptrepräsentantin eines neuen weiblichen Diakonats. Auch pflegte sie besonders in den Pestzeiten die Kranken. Straßburg war zugleich der Ort, an dem die Wurzeln von Calvins Sozialethik lagen.

Calvin lebte hier in Straßburg im Asyl von 1538 bis 1541. Er wurde hier als »Asylant« der Prediger der französischsprachigen Gemeinde. In dieser Zeit wurde aus dem französischen Gelehrten und Genfer Prediger der europäische Reformator Calvin. Er entwickelte hier seine eigene protestantische Lehre. Calvin lernte in dieser Zeit zahlreiche deutsche Reformatoren kennen, nahm an den Religionsgesprächen in Hagenau, Worms und Regensburg teil und fand in dem Straßburger Reformator Martin Bucer einen Lehrer und väterlichen Freund. Mit Bucer wohnte Calvin sogar unter einem Dach, bis er im Sommer 1540 Idelette de Bure heiratete. Von Katharina Zell lernte er die von ihr herausgegebenen vier Gesangbüchlein mit den Liedern von Michael Weiße aus dem Gesangbuch der böhmischen Brüder 1531 kennen und schätzen, deren Gesang im Gottesdienst und Inhalt er in die Schweiz mitnahm.

Beim Heimgang ihres Mannes Matthias Zell 1548 ließ sie es sich nicht nehmen, selbst die Grabrede zu halten. Die Ehe der Zells blieb ohne leibliche Nachkommenschaft. Zwei Kinder starben schon im Kleinkindalter. Katharina Zell sagt über sich: »Ich bin, seit ich zehn Jahre alt bin, eine Kirchenmutter, habe alle Gelehrten geliebt, viel besucht, und mit ihnen mein Gespräch vom Reich Gottes gehabt«. Sie starb am 5. September 1562 in Straßburg.

Wandmalerei am »Reformationsgarten« am Künstlerhaus in Wittenberg