Georg Friedrich Händel
1685–1759
Portait von Balthasar Denner (1685–1749), um 1726–1728, Öl auf Leinwand, 74.9 × 62.6 cm, National Portrait Gallery, London
Georg Friedrich Händel
1685–1759
Über die Musik Georg Friedrich Händels, geboren am 23. Februar 1685 in Halle/Saale, gestorben am 14. April 1759 in London, ist schon zu Lebzeiten viel gesagt worden. Aber ihre Vielfalt und kraftvolle Virtuosität reizen zu immer neuen Interpretationen und zu einer Verquickung von Mensch und Musik, von Komponist und Werk in barocker Pracht. Aber erklärt sich gegenseitig, was die Phantasie farbenprächtig ausmalt? Georg Friedrich Händel lebte in einer Zeit, in der sich der Stil einer Epoche zuallererst aus der handwerklich vorgegebenen Form speist und der Künstler zunächst Diener eines übergeordneten Gebildes – jenes epochal manifestierten Stils – ist. Ein Personalstil, wie ihn die Romantik zum Maß aller Dinge erheben wird, eine individuelle Form also ist weder gefragt noch erlaubt. Was wir als Barockmusik erkennen, ist eine klar strukturierte, strengen und nachvollziehbaren Regeln unterworfene Musik, deren handwerkliche Anforderungen Grundvoraussetzung für die Entstehung und Auftragsvergabe waren. Nicht anders hat Händel arbeiten müssen: Ob Oratorium oder Oper, Te Deum und Vesperpsalm – in der Ausführung des jeweiligen Genres musste er den gültigen Regeln gehorchen. Grenzen ließen sich ausloten, mitunter auch im gebotenen Rahmen elegant überschreiten. Aber sie ließen sich nicht überspringen. Individuell werden konnte Händel nur im Detail. Somit eroberte er kein musikalisches Neuland und schuf keine neue Gattung. Statt dessen brachte er barocke Formen zur Vollendung und verlieh ihnen mit großer Geste und bis in das Detail aufblitzender Meisterschaft jenen Glanz und jene Würde, die wir als Charakteristika der Händelschen Musik verstehen – sei es mit seinem Einfühlungsvermögen oder mit seiner individuellen musikalischen Geste – mit plötzlichen Stimmungskontrasten, unvermuteter Hinzunahme besonderer Instrumente, harmonischem Wagemut, melodischer Strahlkraft und majestätischem Bewusstsein für Erhabenheit und Größe.
Das seit der Romantik vertraute Aufscheinen des Komponisten in seiner Musik ist der Barockzeit fremd. Der Komponist Händel entzieht sich der Interpretation durch seine Musik. Zu seiner Zeit gebührt dem offenbarenden Blick nach innen keine tatsächliche Wertschätzung. Das Lebensgefühl spricht eine andere Sprache. Nach dem 30-jährigen Krieg mit Tod und Zerstörung ergötzt man sich, eingedenk des in das Lebensbuch der Zeit mit Feuer und Schwert eingeschriebenen »Memento mori« am Leben selbst, am Außergewöhnlichen und Festlichen – in gesellschaftlich prädestinierter, Weltbilder schaffender und einreißender Form. Das Mittel zur Darstellung des Gefühls und des Gemüts – im Sprachbild der Zeit: der allgemein und angemessen kenntlich zu machenden Stimmung – ist der Affekt. Schon die Antike, allen voran Platon und Aristoteles entwerfen für das Theater eine Lehre, welche Affekte entsprechende Gemütsbewegungen im Hörer hervor zu rufen vermögen. In der Barockzeit wird die Affektenlehre wichtiger Bestandteil der Musiktheorie. Wesentlich macht sich René Descartes (1596–1650) darum verdient. 1619 meldet sich Michael Praetorius (1571–1621) mit den »Syntagma musicum« zu Wort. Anhand der Affekte werden Rollen kreiert. Sie stehen für einen Typus Mensch und das aufzuzeigende Stimmungsbild – für einen Charakter, der Oper oder Oratorium zur entsprechenden Personalstaffage und damit zum moralisch-ästhetischen Verdienst verhilft. Hier erweist sich Georg Friedrich Händel als Meister und Vollender.
Händel, der von dem heute leider kaum mehr berücksichtigten Organisten und Komponisten Friedrich Wilhelm Zachow (14. November 1663 in Leipzig – 7. August 1712 in Halle/Saale) am Halleschen Dom unterrichtet worden ist und über Hamburg, mehrere Italien-Reisen, wo er sich unter anderem mit Domenico Scarlatti (1685–1657) im Klavierspiel maß und von dessen Vater Alessandro Scarlatti (1660–1725) und Arcangelo Corelli (1653–1713) viele Anregungen erhielt, und Hannover schließlich nach London gelangte, wurde dort der Komponist, Opernmanager und Orgelvirtuose, dessen Weltruhm bis heute ungebrochen ist. Sein Hauptwerk umfasst 42 Opern und 25 Oratorien, darüber hinaus eine Vielzahl von Orchestermusiken wie die berühmten »Concerti grossi« (HWV 312–317 und HWV 319–330), die »Wassermusik« (HWV 348–350) und die »Feuerwerksmusik« (HWV 351) und kirchenmusikalischen Werke – vor allem Vesperpsalmen wie »Laudate pueri« und »Nisi Dominus« und das berühmte »Dixit Dominus« (HWV 232). Von den vier »Coronation Anthems«, die Händel zur Krönung von Georg II. 1727 in der Westminster Abbey komponierte, wird »Zadok the Priest« seither bei jeder britischen Krönungszeremonie gespielt. Das Stück ist heute auch die Erkennungsmelodie der UEFA Champions League. Zu den berühmtesten Oratorien Georg Friedrich Händels zählen »Israel in Ägypten« (HWV 54), »Der Messias« (HWV 56), »Judas Maccabäus« (HWV 63) und »Jephta« (HWV 70).
Tochter Zion (EG 13)
1. Tochter Zion, freue dich, jauchze laut, Jerusalem! Sieh, dein König kommt zu dir, ja er kommt, der Friedefürst. Tochter Zion, freue dich, jauchze laut, Jerusalem!
2. Hosianna, Davids Sohn, sei gesegnet deinem Volk! Gründe nun dein ewig Reich, Hosianna in der Höh! Hosianna, Davids Sohn, sei gesegnet deinem Volk!
3. Hosianna, Davids Sohn, sei gegrüßet, König mild! Ewig steht dein Friedensthron, du, des ewgen Vaters Kind. Hosianna, Davids Sohn, sei gegrüßet, König mild!
Text: Friedrich Heinrich Ranke (um 1820) 1826 Melodie und Satz: Georg Friedrich Händel 1747
Georg Friedrich Händel:
Tochter Zion – Athesinus Consort Berlin, Klaus-Martin-Bresgott