Dietrich Bonhoeffer
1906–1945
Dietrich Bonhoeffer als einer der Märtyrer des 20. Jahrhunderts an der Westwand der Westminster Abbey, London
Dietrich Bonhoeffer
1906–1945
Wer den evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer nicht nur als Gelehrten seiner Zunft und als Widerstandskämpfer während der Zeit des Nationalsozialismus, sondern auch als Dichter kennenlernen will, der muss sein Leben von seinem Ende her anschauen. Denn auch wenn sich Dietrich Bonhoeffer Zeit seines Lebens als Theologe mit Lyrik – unter anderem mit Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832), Rainer Maria Rilke (1875–1926) und Gottfried Benn (1886–1956) – befasste, so sind es die letzten Monate seines Lebens in nationalsozialistischer Gefangenschaft, in denen Bonhoeffer eigene Verse zu Papier brachte.
Bonhoeffer, am 4. Februar 1906 in Breslau geboren und nach einem Studium der Theologie in Tübingen, Rom und Berlin Privatdozent und Pfarrer in Berlin, hatte sich seit 1934 als Mitglied der Bekennenden Kirche in Deutschland, seit 1935 auch als Dozent und Leiter des bekennenden Predigerseminars in Finkenwalde sowie im Ausland auf ökumenischen Konferenzen gegen den deutschen Diktator eingesetzt und war schließlich – nachdem er 1938 Kontakte zu Widerstandskreisen aufgenommen hatte und 1940/41 mit Rede- und Schreibverbot belegt worden war – im April 1943 in Berlin-Tegel gefangengesetzt worden. Von dort aus schrieb Bonhoeffer Briefe an Freunde und Familie, die sich mit seiner Situation in Gefangenschaft, aber auch mit theologischen Fragen befassen: darunter zehn Gedichte, in denen sich – obgleich sich Bonhoeffer eigenen Angaben nach nicht als Dichter verstand – persönliches Schicksal, theologisches Bekenntnis und (versteckte) politische Stellungnahme auf poetische Weise verdichten.
Seine berührenden Zeilen »Von guten Mächten«, die nach 1945 über fünfzig Mal vertont wurden und heute mit einer Melodie von Otto Abel (1905–1977) im Evangelischen Gesangbuch (und einer weiteren Vertonung von Siegried Fietz (*1946) auch im Evangelischen Gesangbuch der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und der Nordkirche) zu finden sind, entstanden im Dezember 1944, knapp zwei Monate bevor Bonhoeffer ins Konzentrationslager Buchenwald verlegt und schließlich am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg auf persönlichen Befehl Hitlers hingerichtet wurde. Seine letzten Worte auf dem Weg nach Flossenbürg, die er seinem Freund Bischof George Bell (1883–1958) ausrichten ließ, verdichten die Zuversicht seiner Liedzeilen: »This is the end – for me the beginning of life.«
Dietrich Bonhoeffer:
Von guten Mächten wunderbar geborgen (EG 65) – Athesinus Consort Berlin, Klaus-Martin Bresgott (CD »Boten«, 2011)
Von guten Mächten wunderbar geborgen (EG 65)
1. Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mich euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.
Kehrvers:
Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
2. Noch will das alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das du uns geschaffen hast.
Kehrvers:
Von guten Mächten wunderbar geborgen ...
3. Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus deiner guten und geliebten Hand.
Kehrvers:
Von guten Mächten wunderbar geborgen ...
4. Doch willst du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann wolln wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört dir unser Leben ganz.
Kehrvers:
Von guten Mächten wunderbar geborgen ...
5. Laß warm und hell die Kerzen heute flammen,
die du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.
Kehrvers:
Von guten Mächten wunderbar geborgen ...
6. Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so lass uns hören jenen vollen Klang der Welt,
die unsichtbar sich um uns weitet,
all deiner Kinder hohen Lobgesang.
Kehrvers:
Von guten Mächten wunderbar geborgen ...