Ernst Barlach
1870–1938
Ernst Barlach
1870–1938
Ernst Barlach ist der bedeutendste deutsche Bildhauer, Zeichner und Grafiker der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, darüber hinaus ein exzellenter Dramatiker und Prosaist. Nach dem Studium an der Hamburger Kunstgewerbeschule (1888–1891) und der Dresdner Akademie war er 1895/96 an der Pariser Académie Julian. Aus dieser Zeit stammen etliche Bilder, Karikaturen und eine stark expressionistisch beeinflusste Kurzprosa – beispielhaft dafür steht »Die Reise des Humors und des Beobachtungsgeistes«. Entscheidend für den künstlerischen Werdegang Barlachs war 1906 eine Russland-Reise, wo ihn die Erkenntnis »das ist außen wie innen« zur eigentlichen Berufung als Bildhauer führte. Exemplarisch dafür standen die Figuren der »Bettler. Die mir Symbole für die menschliche Situation in ihrer Blöße zwischen Himmel und Erde waren«.
»Die unerhörte Erkenntnis ging mir auf, die lautete: du darfst alles Deinige.« Barlach zieht 1910 in das mecklenburgische Güstrow und lebt dort mit Mutter und Sohn bis zu seinem Tod 1938. Neben der Mystik der russischen Seele und der Nähe zur Dichtung Goethes und Dostojewskijs hat Barlach eine starke Affinität zur mittelalterlichen Architektur und Skulptur, deren Geradlinigkeit und bloße Direktheit ihn besonders fasziniert. Neben Holzschnitten und Lithographien – unter anderem zu Goethe-Werken und zu den eigenen Dramen wie »Der tote Tag« (1912), »Der arme Vetter« (1918), »Der blaue Boll« (1926) oder dem posthum erschienenen Roman »Der gestohlene Mond« (1948) – wird er hauptsächlich durch seine Holz- und Bronzefiguren bekannt wie »Das Wiedersehen« (1926), »Der lesende Klosterschüler« (1930), »Der Wanderer im Wind« (1934), der »Fries der Lauschenden« (1935) oder »Der Schwebende« (auch Güstrower Ehrenmal, 1927), der im Original im Güstrower Dom und als Neuguss auch in der Antoniterkirche in Köln und im Museum Schloss Gottorf in Schleswig hängt.
Seine stete Beschäftigung mit dem Christentum, vertraut durch den Großvater, der Pfarrer war, und die enge Freundschaft mit dem Güstrower Pfarrer Johannes Schwartzkopff (1889–1968) gipfelt in der viel zitierten Aussage: »Ich habe keinen Gott, aber Gott hat mich.«
Ernst Barlach: Güstrower Ehrenmal, 1927, »Der Schwebende« im Dom zu Güstrow war 1937 von den Nationalsozalisten entfernt und verschrottet worden. Nach 1945 wurde sie neu gegossen und erhielt ihren alten Platz in Güstrow. Wie diese Plastik wurden 381 Werke Barlachs von den Faschisten beschlagnahmt und als »entartete Kunst« diffamiert.
»Geistkämpfer« von Ernst Barlach an der St.-Nikolaikirche in Kiel. Der Geistkämpfer ist 1927 entstanden und hat bis 1936 an der Heilig-Geist-Kirche (ehem. Universitätskirche) gestanden. 1954 wurde die Plastik am Turm der St.-Nikolaikirche wieder aufgestellt, weil die Heilig-Geist-Kirche im Krieg bis auf den Kreuzgang völlig zerstört wurde.
Ernst Barlach: Wandernder Tod, 1923, Lithographie (Copyright Ernst Barlach Lizenzverwaltung Ratzeburg)0