Josef Gabriel Rheinberger
1834–1901
Josef Gabriel Rheinberger
1834–1901
Schon mit sieben Jahren – geboren am 17. März 1839 in Vaduz – sitzt der Sohn eines Verwaltungsbeamten des Fürsten von Liechtenstein auf der Orgelbank und improvisiert wie ein Großer. In Vaduz kann niemand das Talent angemessen fördern, mit zwölf schicken sie den Josef deshalb nach München zum Musikstudium. Sein ganzes Leben lang wird er dann in der bayerischen Hauptstadt wohnen bleiben. Als Orgellehrer wird ihm Johann Georg Herzog (1822–1909) zugewiesen, der evangelische Organist Münchens. Dessen grundsolide Meisterschaft und traditionsorientierte Stilvorstellung prägten den jungen Rheinberger. Sie bleiben lebenslang Freunde, obgleich Herzog nach zwei Jahren Unterricht 1854 ans Institut für Kirchenmusik in Erlangen wechselt.
Mit 19 ist Rheinberger selber Dozent, später pilgern sie sogar aus Übersee zu ihm als Kompositionslehrer. Als Musiker agiert er in der Oper als Korrepetitor, wo er die Uraufführung von Wagners »Tristan« mit vorbereitet, er leitet einen Oratorienchor, übernimmt als Hofkapellmeister die Verantwortung für die Kirchenmusik an der Hofkirche, spielt Orgelkonzerte im Odeon-Konzertsaal. Täglich komponiert er in den verschiedensten Sparten von Klavier- und Kammermusik über Klavier- und Chorlieder bis hin zur Oper, stets angefeuert von seiner Gemahlin Franziska von Hoffnaaß, der acht Jahre älteren Witwe eines Hofrats, die selbst als Literatin aktiv ist und die er 1867 heiratet. Kulminationspunkt dieser Künstlerehe ist die große Weihnachtskantate »Der Stern von Bethlehem« auf ein theologisch beachtliches und sprachlich glutvolles Libretto von »Fanny«. Sie stirbt allerdings an Silvester 1892, kurz nachdem ihr am Heiligen Abend der Gatte den gerade erschienenen Klavierauszug gezeigt und daraus vorgespielt hat. Der Komponist will das wunderbare Werk dann selber auch gar nicht hören. Er überlebt seine Frau um neun Jahre, komponiert mit gedämpftem Eifer weiter und stirbt mit 62 Jahren am 25. November 1901 in München.
Im letzten Lebensjahr hat ihm die Kreuther Urlaubsbekanntschaft mit einer 19-jährigen Hamburgerin noch einmal das Herz geweitet. In vielen Briefen gibt er ihr offenherzig Zeugnis von seinem Leben für die Kunst. Als guter Katholik hat Rheinberger kirchenmusikalisch vorrangig den katholischen Kultus mit zahlreichen Messvertonungen größeren wie kleineren Zuschnitts (sogar für Männerchor) bedient, ebenso Requiem mit und ohne Orchester. Christophorus (auch auf ein Libretto seiner Frau) ist ein selten zu hörendes Oratorium. Faszinierend sind stets der organische Fluss der Singstimmen und die romantische Klanglichkeit, wohltuend ohne die sonst zeittypischen Übertreibungen. Für die Kirchenmusik-Restauratoren des »Caecilianismus« war das allerdings immer noch zu modern. Auf deutsche (und auch evangelische) Texte gibt es einige ausdrucksstarke geistliche Sologesänge mit Orgelbegleitung und als Chorhit das sechsstimmige Abendlied Herr, bleibe bei uns. Auch Rheinbergers weltliche Chormusik hält viele Perlen bereit. Als Orgelkomponist mit auf die Orgeln der Zeit stimmig bezogener Stilistik der Musiker im 19. Jahrhundert in Deutschland unerreicht: zwanzig große Orgelsonaten – 24 in allen Tonarten waren intendiert – und viele kleinere Orgelstücke im Sinne romantischer »Charakterstücke« sind als Konzertmusik gedacht. Es blieb seinen evangelischen bayerischen Schülern (Philipp und Karl Wolfrum, Elias Oechsler) vorbehalten, diese Tonsprache auch auf Choralvorspiele zu übertragen.
Josef Gabriel Rheinberger:
Monolog h-moll, op. 162, 6 – Kilian Nauhaus (CD »Boten« 2011)