Nikolaus Ludwig von Zinzendorf

1700–1760

Statue in Herrnhut

Nikolaus Ludwig von Zinzendorf

1700–1760

Nikolaus Ludwig Reichsgraf von Zinzendorf und Pottendorf war neben Philipp Jacob Spener in Frankfurt und August Hermann Francke in Halle einer der bedeutendsten Vertreter des deutschen Pietismus – und als solcher einer der produktivsten und sprachkreativsten Liederdichter des deutschen Protestantismus.

Am 26. Mai 1700 in Dresden in eine pietistisch geprägte Familie altösterreichischen Adels geboren, wuchs Zinzendorf von Klein auf unter pietistischem Einfluss auf. Insbesondere die tiefe, überkonfessionelle Herzensfrömmigkeit seiner ungewöhnlich gebildeten Großmutter, Henriette Katharina von Gersdorf, bei der Zinzendorf nach dem frühen Tod seines Vaters aufwuchs, und später der Duft der weiten Welt der halleschen Missionsarbeit, prägten den jungen Zinzendorf und legten den Keim für seine Entwicklung, die – nach einem (nicht ganz freiwilligen) Jurastudium 1716–19 in Wittenberg und einer Anstellung als Hof- und Justizrat in Dresden – in Berthelsdorf, dem heutigen Herrnhut, seinen Lauf nahm: Dort, in einem kleinen Dorf in der schlesischen Oberlausitz, hatte Graf von Zinzendorf – noch als Hof- und Justizrat – ein Gut seiner Großmutter gekauft und ab 1722 böhmische, später auch mährische und sächsisch-lutherische Glaubensflüchtlinge aufgenommen: »Unter der Hut des Herren« (daher der spätere Name des Ortes »Herrnhut«) sollten hier Menschen unterschiedlicher Konfessionen gemeinsam leben können – in einfachen Verhältnissen, als Gleiche unter Gleichen, Frauen und Männer, verbunden durch eine lebendige Herzensfrömmigkeit, die unter Anleitung des Grafen ihre eigenen Gemeinschafts- (unter anderem Liebesmahle und Fußwaschungen) und Sprachformen (darunter die bis heute jährlich veröffentlichten biblischen Losungen) hervorbrachte.

Über 2.000 Lieder dichtete Zinzendorf für das morgendliche und abendliche Singen seiner Gemeine, in deren Texten sich die tiefe (und für manche seiner Zeitgenossen allzu mystische) Jesusfrömmigkeit und die auf einen unverstellten Herzensausdruck zielende Sprache des Gemeinegründers spiegeln. Sie zogen mit ihm, als Zinzendorf nach Auseinandersetzungen mit der sächsischen Obrigkeit 1736 vorübergehend Sachsen verlassen musste und in der hessischen Wetterau neue Gemeinden (wie auf dem Herrnhaag) gründete. Sie gingen weiter mit ihm, als Zinzendorf 1739 für mehrere Jahre nach Indien, Nordamerika und in die Karibik aufbrach und 1748 in England lebte. Und sie blieben noch, nachdem Zinzendorf 1760 in Herrnhut starb. Fünf seiner Lieder finden sich heute im Evangelischen Gesangbuch – darunter sein wohl bekanntestes:

Nikolaus Ludwig von Zinzendorf:
Jesu geh voran (EG 391) – Klaus-Martin Bresgott

Jesus geh voran (EG 391)

1. Jesu, geh voran auf der Lebensbahn!
Und wir wollen nicht verweilen,
dir getreulich nachzueilen;
führ uns an der Hand bis ins Vaterland.

2. Soll's uns hart ergehn, lass uns feste stehn
und auch in den schwersten Tagen
niemals über Lasten klagen;
denn durch Trübsal hier geht der Weg zu dir.

3. Rühret eigner Schmerz irgend unser Herz,
kümmert uns ein fremdes Leiden,
o so gib Geduld zu beiden;
richte unsern Sinn auf das Ende hin.

4. Ordne unsern Gang, Jesu, lebenslang.
Führst du uns durch rauhe Wege,
gib uns auch die nöt'ge Pflege;
tu uns nach dem Lauf deine Türe auf.

Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760) – Statue in Herrnhut