Gerhard Tersteegen

1697–1769

Tersteegen-Denkmal in Mülheim an der Ruhr

Gerhard Tersteegen

1697–1769

Der reformierte Prediger und Kirchenlieddichter Gerhard Tersteegen ist oft als »reformierter Mystiker« bezeichnet worden: Aufgewachsen in einer frommen reformierten Familie, distanzierte er sich früh von jeder Art von kirchlicher Religiosität zugunsten eines intensivierten inneren Erlebens der Gottesgegenwart, die auch Quelle seiner religiösen Dichtung war und ihn – obgleich kein ausgebildeter Theologe – schnell zu einem gefragten spirituellen Lehrer werden ließ.

Tersteegen, geboren am 25. November 1697 in Moers, hatte im Alter von 27 Jahren in Mühlheim an der Ruhr, wo er bei einem Schwager eine Kaufmannsausbildung absolviert hatte, eine Herzenserweckung erlebt, in deren Folge er sich (mit einer in Eigenblut verfassten) Übereignungserklärung Jesus Christus verschrieb, seinen (nach seiner Kaufmannsausbildung erlernten) Beruf als Leinen- und Seidenbandweber aufgab, und ein Leben in Askese und Armut begann: Ab 1726 betätigte sich Tersteegen dann gänzlich als spiritueller Lehrer, Naturheiler, Vortragsredner und religiöser Publizist, als der er 1729 auch das »Geistliche Blumengärtlein inniger Seelen« herausgab – eine Liedersammlung mit eigenen religiösen Lieddichtungen, die in ihrer intensiven Emotionalität weniger für die kirchliche Gemeinde als für die individuelle Seelenvertiefung gedacht waren.

Dass sein bekanntes Kirchenlied »Gott ist gegenwärtig« (EG 165) lange nach seinem Tod am 25. November 1769 in Mühlheim an der Ruhr, im 19. Jahrhundert ins Evangelische Gesangbuch aufgenommen und dort auf den Gottesdienst bezogen worden ist, konnte entsprechend ebenso wenig Tersteegens Intention treffen wie die Übernahme seines Liedes »Ich bete an die Macht der Liebe« in den Großen Zapfenstreich der Bundeswehr. Seine außergewöhnlich farbige Sprache und die Tiefe seiner poetischen Empfindsamkeit machen ihn bis heute zu einem viel beachteten Autor, insbesondere in pietistisch geprägten Kreisen.

Gerhard Tersteegen:
Nun sich der Tag geendet (EG 481) – Klaus-Martin Bresgott

Nun sich der Tag geendet (EG 481)

1. Nun sich der Tag geendet,
mein Herz zu dir sich wendet
und danket inniglich;
dein holdes Angesichte
zum Segen auf mich richte,
erleuchte und entzünde mich.

2. Die Zeit ist wie verschenket,
drin man nicht dein gedenket,
da hat man’s nirgend gut;
weil du uns Herz und Leben
allein für dich gegeben,
das Herz allein in dir auch ruht.

3. Ich schließe mich aufs neue
in deine Vatertreue
und Schutz und Herze ein;
der Finsternis Geschäfte
und alle bösen Kräfte
vertreibe durch dein Nahesein.

4. Dass du mich stets umgibest,
dass du mich herzlich liebest
und rufst zu dir hinein,
dass du vergnügst alleine
so wesentlich, so reine, lass früh und spät mir wichtig sein.

5. Ein Tag, der sagt dem andern,
mein Leben sei ein Wandern
zur großen Ewigkeit.
O Ewigkeit, so schöne,
mein Herz an dich gewöhne,
mein Heim ist nicht in dieser Zeit.

Tersteegen-Denkmal in Mülheim an der Ruhr