Christian Fürchtegott Gellert
1715–1769
Gemälde von Gottfried Hempel (1720–1772), 1752
Christian Fürchtegott Gellert
1715–1769
»Wenn die Sprache der Poesie vorzüglich geschickt ist, die Einbildungskraft zu beleben, den Verstand auf eine angenehme Weise zu beschäfftigen, und dem Gedächtnisse die Arbeit zu erleichtern; wenn sie geschickt ist, das Herz in Bewegung zu setzen und die Empfindungen der Freude, der Liebe, der Bewunderung, des Mitleidens, des Schmerzes zu erwecken, oder zu unterhalten: so ist es unstreitig eine große Pflicht der Dichter, diese Kraft der Poesie vornehmlich den Wahrheiten und Empfindungen der Religion zu widmen.« – So eröffnet der deutsche Dichter und Moralphilosoph Christian Fürchtegott Gellert seine »Geistlichen Oden und Lieder« (1757) und verspricht zugleich, diesen hehren Anspruch in diesem bekanntesten unter seinen poetischen Werken eingelöst zu haben.
Gellert, am 4. Juli 1715 im sächsischen Hainichen als fünfter Sohn in eine Pastorenfamilie geboren und in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, schrieb sie unter dem Eindruck des Siebenjährigen Krieges in Leipzig, wo er nach Abschluss der Meißener Fürstenschule seit 1734 Philosophie und Theologie studiert und 1744 über Theorie und Geschichte der Fabel promoviert, ab 1745 dann auch Vorlesungen über Poesie, Beredsamkeit und Moral gehalten hatte und ab 1751 eine außerordentliche Professur für Philosophie bekleidete.
Moral und Poesie – das sollten dann auch die Felder sein, um die Gellerts philosophisches und dichterisches Schaffen zeitlebens kreisen sollte. In seinen berühmten Fabeln kamen sie zusammen: Als hintersinnige Geschichten aus dem bürgerlichen Milieu seiner Zeit, die es im Bilde der Tierwelt zu ungewöhnlicher Präzision und außerordentlicher Breitenwirkung brachten. Als Christian Fürchtegott Gellert am 13. Dezember 1769 54-jährig in Leipzig – nach langen Jahren schwächlicher Gesundheit – starb, zählten seine Fabeln zu den meistgelesen Büchern seiner Zeit, denen sich überhaupt erst die Ausbildung eines allgemeinen Lesepublikums in deutschen Landen verdankt.
Christian Fürchtegott Gellert:
Mein erst Gefühl sei Preis und Dank (EG 451) – Klaus-Martin Bresgott
Mein erst Gefühl sei Preis und Dank (EG 451)
1. Mein erst Gefühl sei Preis und Dank,
erheb ihn, meine Seele!
Der Herr hört deinen Lobgesang,
lobsing ihm, meine Seele!
2. Mich selbst zu schützen ohne Macht
lag ich und schlief in Frieden.
Wer schafft die Sicherheit der Nacht
und Ruhe für die Müden?
3. Du bist es, Herr und Gott der Welt,
und dein ist unser Leben;
du bist es, der es uns erhält
und mir’s jetzt neu gegeben.
4. Gelobet seist du, Gott der Macht,
gelobt sei deine Treue,
dass ich nach einer sanften Nacht
mich dieses Tags erfreue.
5. Lass deinen Segen auf mir ruhn,
mich deine Wege wallen,
und lehre du mich selber tun
nach deinem Wohlgefallen.
6. Nimm meines Lebens gnädig wahr,
auf dich hofft meine Seele;
sei mir ein Retter in Gefahr,
ein Vater, wenn ich fehle.
7. Gib mir ein Herz voll Zuversicht,
erfüllt mit Lieb und Ruhe,
ein weises Herz, das seine Pflicht
erkenn und willig tue:
8. dass ich als ein getreuer Knecht
nach deinem Reiche strebe,
gottselig, züchtig und gerecht
durch deine Gnade lebe;
9. dass ich, dem Nächsten beizustehn,
nie Fleiß und Arbeit scheue,
mich gern an andrer Wohlergehn
und ihrer Tugend freue;
10. dass ich das Glück der Lebenszeit
in deiner Furcht genieße
und meinen Lauf mit Freudigkeit,
wenn du es willst, beschließe.