Meide Büdel
Bildende Künstlerin
Meide Büdel
Bildende Künstlerin
Die Bildhauerin Meide Büdel hat zahlreiche Werke für den öffentlichen Raum und für den intimen Raum von Kirchen und Kapellen geschaffen. Ihre Skulpturen aus Stahl, Holz und Beton sind formal reduziert und in ihrer Wesentlichkeit von großer auratischer Kraft. Die Spannung ihrer Aussage liegt vielfach in der offen gelegten inneren Balance industriell genutzter Materialien. Für Meide Büdel hat die kraftvolle Elastizität des Stahls die gleiche Faszination wie sie aus der Fläche eines Betongusses zum Auge und zur Hand sprechen kann. Alltäglichem Material gewinnt sie in ihrer Arbeit eine innere Lebendigkeit und damit eine neue Bedeutungsebene ab, die über die praktische Nutzbarkeit hinaus geht und in der anderen Seite der Dinge eine materielle Balance offenbart. So nimmt Meide Büdel aus der Tradition heraus neu Maß.
Sie haben vor und während des Studiums mit Holz und figürlichen Arbeiten begonnen. Inzwischen sind Ihre Materialien oft Stahl oder Stein und Glas, Ihre Ausdrucksweise zunehmend abstrahierend und in der Formgebung reduziert. Wie beschreiben Sie diesen Weg für sich selbst? Vor dem Studium machte ich eine Ausbildung zur Holzbildhauerin, ganz klassisch. Danach an der Kunstakademie begann dann die eigentliche Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst. Mich faszinierte immer stärker das, was man erst einmal nicht sieht, sondern eher intuitiv erlebt. Diesen »Nenner« herauszukristallisieren, wurde mehr und mehr der formale und inhaltliche Fokus meiner Arbeit. Da kamen neue Werkstoffe mit ins Spiel, mit denen ich experimentieren konnte und am idealsten meine Ideen umsetzen.
Was reizt Sie an Ihren Materialien? Sind deren Beschaffenheiten maßgeblich für Ihre Formensprache? Die jeweilige Symbolik. Die Biegsamkeit oder Härte. Das Organische, das Künstliche. Das Charakteristische, das den künstlerischen Inhalt verstärkt. Die verschiedenen Oberflächen, wie man sie haptisch erlebt. Das begeistert mich immer wieder und ist ein wichtiger Teil meiner Arbeit.
Skulptur im öffentlichen Raum ist immer eine öffentliche Sache – es fehlt der Schutzraum einer Galerie oder eines Museums und die damit verbundene gezielte Auseinandersetzung einer Interessengruppe. Stattdessen wird Skulptur im öffentlichen Raum zum Alltagsgegenstand all’ derer, die täglich daran vorbei gehen. Ist es eine besondere Herausforderung, etwas zu schaffen, das im Alltag besteht? Oder schafft die Situation des Alltags die Möglichkeit, mehr und anderes zu wagen, weil der alltägliche Umgang Verständigung zwangloser und Verständlichkeit durch Gewöhnung leichter macht? Haben solche Fragen Einfluss auf den Entstehungsprozess? Gestaltung im öffentlichen Raum wird gesamtöffentlich wahrgenommen, auch von den Menschen, die sonst wenig Berührungspunkte mit Kunst haben. Die Unsicherheit, damit umzugehen, löst dann leider oft Unverständnis und Ablehnung aus. Übrigens habe ich das besonders deutlich im sakralen Raum erlebt, der zwar öffentlich ist, aber trotzdem ein Teil des privaten Lebens der Menschen ist. Öffentliche Kunst ist wichtig! Gerade, weil sie Denkprozesse anstößt und neue Blickwinkel öffnet.
Auch Arbeiten in und für Kirchen sind Arbeiten für den öffentlichen Raum – aber der öffentliche Raum Kirche ist ein Schutzraum eigener Art. Er ist das Gegenteil des White Cube – wo dort Interaktion vermieden werden soll, ist sie hier unabdingbar. Selbst das Gewöhnliche bekommt eine Zuschreibung. Was reizt Sie an der Arbeit im und mit dem Kirchenraum? Raum und Inhalt. Den Kontext finde ich ziemlich spannend und er ist eine Herausforderung im positiven Sinn. Menschen kommen in die Kirche – auch solche, die keiner Konfession angehören –, weil sie hier Schutz und Ruhe suchen. Dort können sie durchatmen. Das ist ein Anspruch an mich, den nehme ich ernst. Dem stelle ich mich und will ihn auf einen Punkt bringen. Formal und inhaltlich. Dann kann ein echter Dialog stattfinden.
Was bedeuten für Sie spirituelle Räume? Haben spirituelle Räume für Sie eine besondere Magie? Oder stellt sich für Sie ein spiritueller Moment vielleicht erst durch die Gegenwart oder Hinzuziehung von Kunst her? Das hängt meiner Meinung nach nicht davon ab, ob Kunst im Spiel ist oder nicht. Die Verdichtung auf das wirklich Wesentliche ist der eigentliche Kern, davon lasse ich mich berühren und faszinieren. Manche Orte bekommen erst durch die Kunst diesen spirituellen Moment. Sie kann so verändern, dass sie den Raum selbst auch wieder stärker wahrnehmbar macht. Aber letztendlich ist das Gesamtkonzept wichtig, ob mit oder ohne Kunst.
Gibt es etwas, was Sie gern einmal verwirklichen würden? Oh, ganz vieles. Gerade bin ich an den Entwürfen für eine circa acht Meter große, freigelagerte Gleichgewichtsarbeit, die begehbar sein soll und mit der man dann selbst quasi frei schweben kann. Und an einer großen Stahl-Klangarbeit gemeinsam mit einem Künstlerkollegen. Ob im White Cube, im sakralen Raum oder im öffentlichen Kontext – meine Arbeiten sollen Momente schaffen, die bleiben.
Das Gespräch führte Klaus-Martin Bresgott.
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Meide Büdel, geboren 1961 in Bad Mergentheim 1982 bis 1988 Akademie der Bildenden Künste, Nürnberg, 1993 Kulturförderpreis der Stadt Nürnberg, 2002 bis 2007 Lehrauftrag Akademie der Bildenden Künste, Nürnberg (Klasse »Kunst und öffentlicher Raum«), 2008 Kunstpreis der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, 2009 Wolfram-von-Eschenbach Förderpreis, 2016 Publikumspreis Kunsthalle Schweinfurt
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Ausstellungen (Auswahl) – 1987/88 »Zwischenbericht« Kunsthalle Nürnberg/ Galerie der Künstler, München – 1989 Schloss Almoshof, Nürnberg – 1992 »Positionen und Tendenzen« Schloss Faber-Castell, Stein – 1994 Drahtwerke, Nürnberg (mit W. van Elst) – 1997 »Der Kreis 1947 bis 1997«, Kunsthalle Nürnberg – 1999 Altes Rathaus, Schweinfurt – 2001 Santa Maria dello Spasimo, Palermo Italien – 2002 »Querfeld 5«, Konzernzentrale e.on Energie, München – 2003 Löwenich’sches Palais, Erlangen – 2004 Ethnografisches Museum Krakau, Polen – 2005 Galleria Nova, Ronco s/Ascona, Schweiz – 2006 Museum für zeitgenössische Kunst Skopje, Mazedonien – 2007 »Rubin«, Neues Museum Nürnberg – 2008 Lothar- Fischer Museum Neumarkt; Kreuzkirche München – 2009 Stadtmuseum Wolframs-Eschenbach – 2011 Museo Comunale d’Arte moderna, Ascona, Schweiz – 2013 Kunstprojekt Karlshof, Ellingen (mit Harald Pompl); Galleria del Carbone, Ferrara, Italien
Kunst und öffentlicher Raum (Auswahl) – 1993 »Hochwasserfreilegung«, Kronach – 1994 »Schranne«, Bamberg – 1995 Technische Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Wohnanlage »Am Stadtpark«, Nürnberg/ Gesundheitsamt Schweinfurt – 1997 Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung, Schweinfurt – 1998 Justizvollzugsanstalt St. Georgen, Bayreuth – 1999 Großer Brombachsee, Pleinfeld – 2000 Klinisch-Molekularbiologisches Forschungszentrum Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg – 2002 Waldklinikum Gera, Notaufnahme – 2005 Heinrich-Böll-Platz Langwasser, Nürnberg – 2007 Raumkreuz evang. Kirche, Neuhaus/Pegnitz – 2008 Christuskirche Nürnberg künstlerisches Konzept; »Alpha/Omega«, Westfriedhof Nürnberg – 2009/10 Stadtkirche Naila, künstlerische Innengestaltung – 2010/11 Auferstehungskirche Rottach-Egern, Gestaltung Außenfassade – 2012 »Mahnmal für die Opfer der Heil- und Pflegeanstalt Ansbach während der Zeit des Nationalsozialismus«, Ansbach – 2012/13 Kreuzkirche Frankfurt/Main, künstlerische Innengestaltung – 2013 St. Margaretha, Heroldsberg, künstlerische Innengestaltung/ Platzgestaltung Rottach-Egern – 2014 Künstlerische Gestaltung Innenraum evang. Stadtkirche Groß-Gerau – 2015 Kunstprojekt »Signatur NOB«, Nürnberg (gemeinsam mit »zwischenbericht«); Künstlerisches Gesamtkonzept Waldkapelle, Außenanlagen, Tageskapelle Rummelsberg (OR) – 2016 Kunstobjekt im Außengelände der Martinsgemeinde Fürth
Kinetisches Objekt, Landesamt für Statistik und Dastenverarbeitung, Schweinfurt 1998 (Edelstahl, Aluminiumrohre, 900 x 600 x 20 cm, Foto: Pirko Schröder)
Kinetisches Objekt, Technische Fakultät Friedrich-Alexander-Universität Erlangen 1995 (Industriestahl, lackiert, Lärchenholz, 1255 x 112 x 50 cm, Foto: Norbert Zeitler)
O. T., Justizvollzugsanstalt St. Georgen, Bayreuth 1999 (Edelstahl gestrahlt, Lärchenholz, 400 x 390 x 90 cm, Foto: Pirko Schröder)
O. T. , Großer Brombachsee, Pleinfeld 2000 (Corten-Stahl, 1350 x 280 x 350 cm, Foto: Norbert Zeitler)
Kreuz, Christuskirche Neuhaus/Pegnitz 2007 (Birkenholz-Leimbinder, 500 x 340 x 12 cm, Foto: Meide Büdel)
»Schwebender Altar«, Christuskirche Nürnberg-Steinbühl 2008 (Industriestahl, brüniert, Edelstahlseile, 270 x 140 x 6 cm, Seile 1380 cm, Foto: Jens Wegener)
»Schwebender Altar«, Christuskirche Nürnberg-Steinbühl 2008 (Industriestahl, brüniert, Edelstahlseile, 270 x 140 x 6 cm, Seile 1380 cm, Foto: Jens Wegener)
Altar Kreuzkirche Frankfurt-Preungesheim 2013 (Industriestahl, brüniert, Foto: Zentrum Verkündigung der EKHN, Frankfurt)0
Mahnmal für die Opfer der Heil- und Pflegeanstalt Ansbach während der Zeit des Nationalsozialismus, Ansbach 2012 (Industriestahl, Bleifolie, eingefärbte Pflasterfläche 245 x 160 x 349 cm, Foto: Meide Büdel)1
Altar Stadtkirche Groß-Gerau 2014 (Birkenholz gebeizt, brünierter Industriestahl, Foto: Michael Mayer)7