Bertel Thorvaldsen
1770–1844
Carl Joseph Begas (1794–1854): Porträt des Bildhauers Bertel Thorvaldsen, um 1820 (Öl auf Holz, Eremitage, St. Petersburg, Ausschnitt).
Bertel Thorvaldsen
1770–1844
Wer kennt sie nicht, die Christusstatue des dänischen Bildhauers Bertel Thorvaldsen? – Wie sie mit sanftem Schritt und ausgebreiteten Armen auf ihre Betrachter zuschreitet. Und wie sie vielen heute als Inbegriff des religiösen Kitsches gilt.
Als Thorvaldsen, der am 19. November 1770 als Sohn eines isländischen Holzschnitzers in Kopenhagen geboren wurde und zunächst bei seinem Vater, seit seinem elften Lebensjahr an der Kopenhagener Kunstakademie studierte, ihr Modell 1821 für die Kopenhagener Frauenkirche anfertigte, schwebte ihm ein neuer Christustyp vor: Nicht der spätmittelalterliche Christus der Nazarener, sondern ein zeitloser Christus von geradezu klassischer Schönheit. Thorvaldsen, hatte sich dieses Schönheitsideal während eines beinahe sechsjährigen Stipendiums in der Hauptstadt der italienischen Antike, in Rom, zu eigen gemacht und im Laufe seines Aufenthalts an verschiedenen Statuen und Reliefs der römischen Mythologie – prägend: 1803 sein Jason – perfektioniert: Jenes Ebenmaß und Proportion, Ruhe und stille Beharrlichkeit ausstrahlende Schönheitsideal schien Thorvaldsen für seine Christus-Figur gerade recht und sollte so späterhin geradezu zum Mythos der religiösen Plastik im 19. Jahrhundert werden.
Für Thorvaldsen, indes, war es ein Werk unter vielen, die er – der Zeit seines Künstlerlebens wohl nie einen Meißel in der Hand gehabt haben soll und lieber in Ton modellierte – eine Fülle von Auftragsarbeiten für die Kopenhagener Krone, wohlhabende Bürger und nicht zuletzt die Kirche von seiner Kopenhagener Werkstatt ausführen ließ: deren aufsehenerregendstes sicher das Grabmal für Papst Pius VII. (1742–1823), mit dem der Vatikan Thorvaldsen 1825 – obwohl ein bekennend protestantischer Künstler! – beauftragt hatte. Als Thorvaldsen am 24. März 1844 völlig unerwartet während einer Theateraufführung in Kopenhagen starb, war er – zumindest in seinem Heimatland – längst zu einem Volkshelden der Kunst aufgestiegen.