Max Bruch
1838–1920
Max Bruch
1838–1920
Max Bruch, berühmt durch sein berührendes »1. Violinkonzert«, wurde am Dreikönigstag, 6. Januar 1838 in Köln am Rhein geboren. Sein Vater war königlicher Polizeirat und stellvertretender Polizeipräsident der Stadt, seine Mutter Sängerin. Sie unterrichtete Max frühzeitig am Klavier. Nebenher war er ein begabter Zeichner und Maler, der vielfach die Illustrationen aus Büchern und Kompendien zur Übung nutzte. Nachdem er schon mit neun Jahren aktiv zu komponieren begann, erhielt er ab 1849 umfangreichen musiktheoretischen Unterricht bei dem Musikwissenschaftler, Dirigenten und Komponisten Heinrich Carl Breidenstein (1796–1876) in Bonn. Bereits 1852 führte die Philharmonische Gesellschaft Köln die erste Sinfonie f-moll des gerade 14-jährigen Max Bruch auf. Dank eines Stipendiums, das er im gleichen Jahr mit einem Streichquartett gewann, konnte er von 1853 bis 1857 Komposition bei Ferdinand Hiller (1811–1885) und Klavier bei Carl Reinecke (1824–1910) studieren.
Nach Aufenthalten in Leipzig, Bonn und Mannheim wurde Max Bruch 1865 Musikdirektor in Koblenz. Hier entstand das berühmte Violinenkonzert. 1868 bis 1870 war er Hofkapellmeister in Sondershausen, zog aber 1870 nach Berlin, wo er zunächst Musiklehrer, ab 1873 freischaffender Komponist war und Kontakte zu Johannes Brahms (1833–1897), in dessen Schatten er lebenslang mit großem Bedauern stand, und dem berühmten Violinisten Joseph Joachim (1831–1907) aufnahm. 1870 wurde Max Bruch Dirigent des Stern’schen Gesangvereins zu Berlin, 1880 bis 1883 Leiter der Philharmonic Society Liverpool und übernahm dann für acht Jahre den Orchesterverein Breslau. Zwischenzeitlich hatte er 1881 die Sängerin Clara Tuczek (1854–1919) geheiratet; das Paar bekam vier Kinder.
1891 zog Max Bruch mit seiner Familie wieder nach Berlin und übernahm an der Königlichen Akademie der Künste eine Meisterklasse für Komposition. Er unterrichtete unter anderem den großen englischen Komponisten Ralph Vaughan Williams (1872–1958), dessen »Songs of Travel« nach Texten von Robert Louis Stevenson (1907), die »Seven Songs from the Pilgrim’s Progress« (1952) und die Weihnachtskantate Hodie (1953–54) zu den großen Liederzyklen und Chorwerken des Jahrhunderts zählen, und gab 1906 das bis heute legendäre und geschätzte Volksliederbuch für Männerchor heraus. 1893 erhielt Max Bruch die Ehrendoktorwürde der University of Cambridge, 1918 den gleichen Titel durch die Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin.
Max Bruch starb 1920 und ist auf dem Alten St. Matthäus-Kirchhof in Berlin Schöneberg beerdigt, sein Grab ist seit 1965 Ehrengrab der Stadt Berlin.
Max Bruchs Werk wahrt die traditionelle Form der Romantik, wie sie auch Felix Mendelssohn Bartholdy und Johannes Brahms gepflegt haben. Bekannt wurde er vor allem durch seine drei Sinfonien und Konzerte. Seine Liebe zur Vokalmusik spiegelt sich unter anderem in der Kantate »Die Flucht der Heiligen Familie« (op. 20), in der »Osterkantate« (op. 81) und in dem Oratorium »Moses« (op. 67). Bekannt sind auch das »Kyrie, Sanctus und Agnus Die« (op. 35) und die »Christkindlieder« (op. 92). Besonders schön und krönendes Beispiel seines melodiösen Reichtums ist seine Vertonung eines der berühmtesten Choräle von Paul Gerhardt (1607–1676) »Geh aus, mein Herz, und suche Freud«. Max Bruch hat es 1892 unter op. 60, Nr. 2 herausgebracht.
Geh aus, mein Herz, und suche Freud (1653)
Geh aus, mein Herz, und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben; schau an der schönen Gärten Zier und siehe, wie sie mir und dir sich ausgeschmücket haben.
Die Bäume stehen voller Laub, das Erdreich decket seinen Staub mit einem grünen Kleide; Narzissus und die Tulipan, die ziehen sich viel schöner an als Salomonis Seide.
Die Lerche schwingt sich in die Luft, das Täublein fliegt aus seiner Kluft und macht sich in die Wälder; die hochbegabte Nachtigall ergötzt und füllt mit ihrem Schall Berg, Hügel, Tal und Felder.
Die Glucke führt ihr Völklein aus, der Storch baut und bewohnt sein Haus, das Schwälblein speist die Jungen, der schnelle Hirsch, das leichte Reh ist froh und kommt aus seiner Höh ins tiefe Gras gesprungen.
Die Bächlein rauschen in dem Sand und malen sich an ihrem Rand mit schattenreichen Myrten; die Wiesen liegen hart dabei und klingen ganz vom Lustgeschrei der Schaf und ihrer Hirten.
Die unverdross’ne Bienenschar fliegt hin und her, sucht hier und da ihr edle Honigspeise; des süßen Weinstocks starker Saft bringt täglich neue Stärk und Kraft in seinem schwachen Reise.
Der Weizen wächset mit Gewalt; darüber jauchzet jung und alt und rühmt die große Güte des, der so überfließend labt und mit so manchem Gut begabt das menschliche Gemüte.
Ich selber kann und mag nicht ruhn, des großen Gottes großes Tun erweckt mir alle Sinnen; ich singe mit, wenn alles singt, und lasse, was dem Höchsten klingt, aus meinem Herzen rinnen.
Ach, denk ich, bist du hier so schön und lässt du's uns so lieblich gehn auf dieser armen Erden: was will doch wohl nach dieser Welt dort in dem reichen Himmelszelt und güldnen Schlosse werden!
Welch hohe Lust, welch heller Schein wird wohl in Christi Garten sein! Wie muss es da wohl klingen, da so viel tausend Seraphim mit unverdross’nem Mund und Stimm ihr Halleluja singen.
O wär ich da! O stünd ich schon, ach süßer Gott, vor deinem Thron und trüge meine Palmen: so wollt ich nach der Engel Weis erhöhen deines Namens Preis mit tausend schönen Psalmen.
Doch gleichwohl will ich, weil ich noch hier trage dieses Leibes Joch, auch nicht gar stille schweigen; mein Herze soll sich fort und fort an diesem und an allem Ort zu deinem Lobe neigen.
Hilf mir und segne meinen Geist mit Segen, der vom Himmel fleußt, dass ich dir stetig blühe; gib, dass der Sommer deiner Gnad in meiner Seele früh und spat viel Glaubensfrüchte ziehe.
Mach in mir deinem Geiste Raum, dass ich dir werd ein guter Baum, und lass mich Wurzel treiben. Verleihe, dass zu deinem Ruhm ich deines Gartens schöne Blum und Pflanze möge bleiben.
Erwähle mich zum Paradeis und lass mich bis zur letzten Reis an Leib und Seele grünen, so will ich dir und deiner Ehr allein und sonsten keinem mehr hier und dort ewig dienen.
Paul Gerhardt:
Geh aus, mein Herz, und suche Freud (EG 503) – Athesinus Consort Berlin, Klaus-Martin Bresgott (CD »Boten«, 2011)