Georg Philipp Telemann: Concerti per molti stromenti
Georg Philipp Telemann: »Concerti per molti stromenti«. Akademie für Alte Musik Berlin, Georg Kallweit
Georg Philipp Telemann: Concerti per molti stromenti
CD, Harmonia mundi musique, 2017 HMM 902261
Bedinungslos schön – Telemanns Solokonzerte
»Wenn man aus einem Sinfonieorchester kommt und Musik spielt, bei der es um horizontale Flächen und Klangfarben geht, dann ist Telemann wirklich perfekt, um die Affektenlehre der Barockmusik zu lernen. Hier übernimmt Musik die Funktion einer Sprache, in der es darum geht, Geschichten, Ereignisse und Emotionen in Klang zu fassen. Man muss Kommas setzen, artikulieren, Sinnzusammenhänge schaffen, und genau das lässt sich an Telemann fantastisch lernen.« – so erinnert sich der Teufelsgeiger und Konzertmeister der aktuellen Telemann-Aufnahme der Akademie für Alte Musik Berlin, Georg Kallweit, über die Anfänge des Ensembles vor 35 Jahren, 1982. Seither ist Georg Philipp Telemann einer der Hauskomponisten dieses weltweit mit Reputation überhäuften Ensembles – so weist es die aktuelle Homepage aus. Beide sind – so hört man – füreinander ein Glücksfall: Auf der einen Seite der zwischen Handwerker, Underdog und Avantgardist gehandelte Komponist zwischen den barocken Doppeltürmen Bach und Händel. Auf der anderen Seite das im indoktrinären, aber durch seine Kunstnischen und deren Qualitäten beargwöhnenden wie gleichwohl neugierig fördernden Arbeiter-und-Bauern-Staat gewachsene Ensemble. Das hat aus der Fülle der Reformations-Oktoberrevolutions- und anderer Heroen-Jubiläen das seiner Klangart gemäße Telemann-Jubiläum zum 250. Todesjahr heraus gegriffen und eine neue Telemann-CD auf den Markt gebracht, die Interpreten und Interpretiertem zum besten gereicht. In Bezug auf Telemanns viele Konzerte für gemischte Solobesetzungen ist sie in ihrem Zeugnis für dessen stilistische Bandbreite zunächst eine von vielen. Sobald man hinein hört, spürt, riecht und schmeckt man diesen geistigen Nimmersatt: den weltoffenen, weit die Arme öffnenden und von links und rechts – aus Polen und Frankreich – volkstänzerische Melodiösität und musikantische Urbanität aufsaugenden Musiker. Auch italienisch-theatrale Maskerade fehlt nicht, ebenso wenig der eingeborene mitteldeutsche Kontrapunkt. Nichts weniger als das findet sich in den fein ausgesuchten und mit energetischem Spielbein aufgeführten Solokonzerten für Trompeten, Flöten, Oboen und Hörner – all´ jene Instrumente, denen Telemann sein Herz und seine kompositorische Aufmerksamkeit geschenkt hat. Vor allem aber hört man dies: Telemanns Musik will zu nichts festlegen und verführen – aber sie will uns herausführen aus den Schablonen und Konventionen, wie Musik in ihrem ernsthaften Epochenverständnis zu sein habe und wie sie zu verstehen sei. Sie lädt zu ganz neuem Zuhören – zur Befreiung von Hörgewohnheiten und zu der immer neuen Erkenntnis, dass Musik bedingungslos schön, leicht und schmackhaft sein kann. Insbesondere, wenn die Akademie für Alte Musik sie aufs Pult legt.
Klaus-Martin Bresgott