Benjamin Britten: Hymn to St Cecilia, RIAS-Kammerchor, Justin Doyle
Benjamin Britten: Hymn to St Cecilia, RIAS-Kammerchor, Justin Doyle
Benjamin Britten: Hymn to St Cecilia, RIAS-Kammerchor, Justin Doyle
Harmonia mundi 2019 HMM 902285
Es gehört nicht viel dazu, ein Fan dieses Chores zu sein. Hat man einmal sein Ideal eines Chorklangs anhand der luziden Präsenz in Transparenz und Dynamik, in der erstaunlich wohltemperierten Ausgewogenheit von Individualität und chorischer Homogenität und in der exquisiten Kost des Repertoires und dessen dramaturgischer Umsetzung gefunden, dann ist er das Maß: der RIAS-Kammerchor. Manches geht auch anders. Aber schöner? Gleichwohl liegen Klang und Kraft, Individualität und Repertoire gemeinsam auf einer Goldwaage. Ein Schatten nimmt das Licht von allem. War die Hinwendung zum mitteldeutschen Erbe in den vergangenen Jahren ein wichtiger und brillante Schätze hebender Schritt in die eigene Vergangenheit, blieb die immer kontrolliert wirkende, Individualität tilgende Interpretation künstlerisch doch hinter der inhaltlichen Meisterleistung zurück. Auf höchstem Niveau, versteht sich. Aber die Sehnsucht nach einem freien Klang und sattsam vokalem Wetterleuchten blieb hinter Glas und unerfüllt. Unter Justin Doyle, scheint es, wehen Frühlingswinde durch den Klang. Schafft er es auch auf CD? Mit Werken Benjamin Brittens ergibt sich eine facettenreiche Fortschreibung der eigenen Chorgeschichte in Erinnerung an die leuchtend der Schönheit huldigende Aufnahme von Brittens »Sacred and profane« mit Marcus Creed, dem Chorgroßmeister und Landsmann Doyles. Das ist freilich lange her - und schafft Zeit Kultstatus, ermöglicht sie auch einen neuen Blick und eine neue Lust. All’ das kann man hören, wenn Doyle den RIAS frei und Brittens harmonische Geniestreiche klangvoll inspiriert singen lässt. Die meisten Werke der CD entstammen den 1930er Jahren; die bukolisch auf weichen Hügeln lagernden »Five Flower Songs« (op. 47) von 1950. Ihr Finale, die »Ballad of green broom«, ist nicht nur eine wirkmächtige Humoreske, sondern bildet auch in sich eine der großen Stärken Brittens ab: die melodisch schwebende Wort-Ton-Beziehung, wie sie mit gleicher Kraft Hugo Distler 1939 im »Mörike-Chorliederbuch« zur Blüte trieb. Höhepunkt dieser CD ist neben der »Hymn to St. Cecilia« und »A Hymn to the Virgin«, die auch die solistischen Stärken der Chormitglieder zum Leuchten bringen, fraglos der ebenfalls 1939 entstandene, siebenteilige Zyklus »A.M.D.G.« (Ad majorem Dei gloriam), in dem Justin Doyle seine große gestalterische Umsicht und der Chor seine feinnervig pulsende Homogenität in zarten, liebkosenden Klängen (Rosa Mystica) und wuchtiger, Grenzen auslotender Dynamik (God’s Grandeur) gleichermaßen zeigen. Es ist der Übergang von der Perfektion zur Schönheit, die Ankunft der Ohren in der Freude, die die CD besonders macht. Das gelingt, wenn Chor und Dirigent einander alles zutrauen und ihr Können in die Waagschale des Gemeinsamen werfen – das ist Justin Doyle und dem RIAS mit dieser CD gelungen, weswegen sie auch nicht anders als mit »Heaven-Haven« enden kann.
Klaus-Martin Bresgott