Michael Ziegenspeck
1572–1645
Michael Ziegenspeck
1572–1645
Von dem thüringischen Pfarrer, Lehrer, Kantor und Kirchenlieddichter Michael Ziegenspeck ist biografisch nur wenig bekannt, dabei war er bis in das 18. Jahrhundert hinein vielfach in verschiedenen Gesangbüchern vertreten.
Geboren wurde er am 19. Juni 1572 in Neustadt an der Orla im Osten Thüringens, bezeugt ist er 1591 als Student in Jena. Im Anschluss war er zunächst Lehrer und Kantor in seiner Heimatstadt Neustadt. 1606 wechselte er – anfänglich als Diakon – in das unweit gelegene Ranis unter anderem an die Stadtkirche St. Margarethen, die mit ihrem Tonnengewölbe, den großflächig Licht spendenden Maßwerkfenstern und der romantischen Orgel (Johann Friedrich Schulze, 1793–1858, Paulinzella) heute eine überregional geschätzte Konzertkirche ist. Schon 1607 wurde er Oberpfarrer des Städtchens mit der beeindruckenden Burganlage. 1620, zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges, verfasste er hier seine »Bitte um Frieden«:
Pflanz wieder Fried im Lande, O du Herr Zebaoth, Gib Glück zu allem Stande, Wend Jammer, Angst und Not.
Bereits 1617 hatte er in Wittenberg das »Geistlich Uhrwerck, das ist, die allertrostreichste Historie des Leidens und Sterbens Jesu Christi« veröffentlicht, 1630 dann in Leipzig die »Freud- und Gebet-Psalmen, am Jubildo der Augspurgischen Confeßion«.
Michael Ziegenspeck hat das Ende des Dreißigjährigen Krieges nicht mehr erlebt. Er starb in Ranis am 11. Januar 1645.
Im Coburgischen Gesangbuch von 1630, 1649, 1655, 1680 und 1683 sind mehrere Lieder von Michael Ziegenspeck zu finden – unter anderem »Ach! Gott Thu dich erbarmen vieler bedrängter Leut«, »Ade, ich muß dich lassen, du schnöde böse Welt«, »Das alte Jahr sich endet«, »O Frühling mein Ergötzen«, »Schau, Liebes Hertz, groß Wunder schön« und »Fangt all mit mir zu jauchzen an.«
Eines seiner berühmtesten Gedichte, das Michael Ziegenspeck 1617 schrieb, hat auch den Musicus Poeticus Heinrich Schütz (1585–1672) 1628 zu einem seiner eher seltenen, dafür in seiner Schlichtheit umso berührenderen Lieder ermuntert:
Michael Ziegenspeck:
Walt’s Gott, mein Werk ich lasse – Lilienfelder Cantorei Berlin, Klaus-Martin Bresgott (CD »Urlaltes Wehn«, 2004)
Walt’s Gott, mein Werk ich lasse (1617/1628)
Walt’s Gott, mein Werk ich lasse;
die Sonn Fei’rabend meld’t.
Sie hat vollend’t ihr Straßen,
kehrt wieder in ihr Zelt.
So mögen auch mein’ Sachen
ruhn bis zu ihrer Zeit.
Jetzt will ich Schichte machen
mit schuld’ger Dankbarkeit.
Mein’ Augen, Herz und Hände,
o Jesu, Gottes Sohn,
zu dir ich nunmehr wende
zum schuld’gen Tageslohn;
denn du bist selbst getreten
an meine Werkstatt gut,
hast mir helfen arbeiten,
regiert mein Sinn und Mut.
Mein Haupt hast du gestärket,
mein’n Fingern geben Kraft,
hast deinen Seg’n vermerket,
der allein Frommen schaft.
Daher ist wohl geraten
mein’ Arbeit und mein’ Kunst;
ohn’ dich geht nichts vonstatten,
ohn’ dich ist all’s umsunst.
Drum ich vom Herzensgrunde
dich, Herr Gott, lob und preis
in dieser Abendstunde
und bitt mit ganzem Fleiß,
du wollest gnädig hören
mein arm Vespergebet,
das Gut’ in mir vermehren
durch dein’ Barmherzigkeit.
Gleich wie vor alten Zeiten
du hast viel Gut’s erzeigt
des Abends denen Leuten,
der’n Herz sich zu dir neigt
und fest auf dich gebauet,
so wollst du auch geruhn,
wie unser Herz dir trauet
uns Lieb’s und Gut’s zu tun.
Als Noah hat gelassen
ein Täublein aus sei’m Schiff,
kehrt’ es wieder sein’ Straßen
und bracht’ ein’ Freudenbrief:
Zur Vesperzeit im Munde
führt’ es ein Ölblatt grün,
daran Noah verstunde,
des Herrn Zorn wär dahin.
Zwei heil’ge Engel kamen
des Abends zu dem Loth;
in ihren Schutz ihn nahmen
vor der gottlosen Rott,
erlösten den Propheten;
bald fiel ein Schwef’l und Feu’r,
macht den achtlosen Städten
ihr’ Freud und Frevel teu’r.
Imgleichen wir auch lesen,
wie Eli, der Prophet,
im Hungerland gewesen.
Hört, was der Herre tät:
Vögel gedienet haben
zu Tisch dem Gottesmann;
abends und morgens Raben
Brot und Fleisch brachten an.
Auch wollst du, Herr, uns geben
Abend- und Morgenbrot
und was zu diesem Leben
uns allenthalb ist not.
Dein’ Engel wollst du schicken,
auf daß er uns bewahr
vor Teufels List und Tücken,
so sind wir ohn’ Gefahr.
Erhöre unser Bitten,
ach Herr, du treuer Gott:
Die Stadt wollst du behüten
vor Feu’r und aller Not;
und weil die Völker toben,
erregen Krieg und Streit,
so sende uns von oben
den Fried zu unsrer Zeit.
Ja, weil’s will finster werden
um’s Wort, der Gnaden Licht,
denn Satan auf der Erden
die Ketzerei anricht’,
so bleib bei uns, Herr Christe
mit deinem Gnadenschein,
dein wertes Wort uns friste,
alsdann wir sicher sein.
Hiermit ich nun vollende
mein Tagsgeschäft und Sach
und bitt herzlich zu Ende:
Herr, Feierabend mach,
drauf der Sabbat angehet,
der währt viel tausend Jahr,
der ewiglich bestehet;
Amen, das werde wahr.