Angelus Silesius (Johann Scheffler)

1624–1677

Angelus Silesius (Johann Scheffler)

1624–1677

Angelus Silesius, der schlesische Engel, wurde am 25. Dezember 1624 als Johannes Scheffler im niederschlesischen Breslau (heute Wrocław) an der Oder geboren. Seine Eltern waren ihres protestantischen Glaubens willen hierher übergesiedelt.

Von 1639 bis 1643 besuchte Johannes Scheffler das städtische St.-Elisabeth-Gymnasium und ging im Anschluss zunächst nach Straßburg, später nach Leiden, um Medizin und Staatsrecht zu studieren. 1648 erlangte er schließlich in Padua die Doktorwürde in den Fächern Philosophie und Medizin. Die Bekanntschaft mit dem Mystiker Abraham von Franckenberg (1593–1652) brachte ihm das Werk Jakob Böhmes (1575–1624) nahe, das wesentlich zur Konversion Johannes Schefflers 1653 zur katholischen Kirche beitrug. Seither trug er in Verehrung des spanischen Mystikers Johannes ab Angelis den Namen Angelus Silesius, stellte sich ganz in den Dienst der Gegenreform und schrieb polemische Schriften gegen den Protestantismus, in denen er Martin Luther einen Luzifer nannte und die Gefahr der Türkeninvasion eine göttliche Strafe gegen das verwerfliche Tun des Protestantismus.

Ab 1654 war Angelus Silesius ehrenamtlicher Hofarzt von Kaiser Ferdinand III. (1608–1657), wurde Mitglied der Rosenkranzbruderschaft und 1661 schließlich zum Priester geweiht. Von 1664–1666 fungierte er als Hofmarschall am Breslauer Hof des Fürstbischofs Sebastian von Rostock (1607–1671). Danach arbeitete er nur noch als Arzt, zog sich zurück und veröffentlichte 1677 unter seinem Geburtsnamen polemische Schriften im Rahmen des Konfessionsstreites. Im gleichen Jahr starb er und wurde in der Matthiaskirche in Breslau beerdigt.

1657 bereits hatte Angelus Silesius sein Hauptwerk veröffentlicht – die berühmten, meist zweizeilig gereimten Epigramme »Geistreiche Sinn- und Schlussreime«, die seit der zweiten Ausgabe den Titel »Cherubinischer Wandersmann« tragen und bis heute ihre Leserschaft haben. Etliche Komponisten des 20. Jahrhunderts haben Teile daraus vertont, etwa Johann Nepomuk David (1895–1977), Adolf Brunner (1901–1992), Heinrich Kaminski (1886–1946) und Hugo Distler (1908–1942), der Epigramme dieses Werkes für seinen berühmten »Totentanz op. 12, 2« genutzt hat. Oft zitiert wird beispielsweise: Mensch, werde wesentlich! Denn wenn die Welt vergeht, so fällt der Zufall weg: das Wesen, das besteht! Trotz seiner antiprotestantischen Haltung ist Angelus Silesius bis heute im Evangelischen Gesangbuch vertreten – unter anderem mit dem bekannten Lied:

Angelus Silesius:
Mensch, werde wesentlich – Athesinus Consort Berlin, Klaus-Martin Bresgott (CD »Signale«, 2011)

»Mir nach«, spricht Christus, unser Held (EG 385)

1) »Mir nach«, spricht Christus, unser Held,
»mir nach, ihr Christen alle!
Verleugnet euch, verlasst die Welt,
folgt meinem Ruf und Schalle;
nehmt euer Kreuz und Ungemach
auf euch, folgt meinem Wandel nach.

2) Ich bin das Licht, ich leucht euch für
mit heilgem Tugendleben.
Wer zu mir kommt und folget mir,
darf nicht im Finstern schweben.
Ich bin der Weg, ich weise wohl,
wie man wahrhaftig wandeln soll.

3) Fällt’s euch zu schwer? Ich geh voran,
ich steh euch an der Seite,
ich kämpfe selbst, ich brech die Bahn,
bin alles in dem Streite.
Ein böser Knecht, der still mag stehn,
sieht er voran den Feldherrn gehn.

4) Wer seine Seel zu finden meint,
wird sie ohn mich verlieren;
wer sie um mich verlieren scheint,
wird sie nach Hause führen.
Wer nicht sein Kreuz nimmt und folgt mir,
ist mein nicht wert und meiner Zier.«

5) So lasst uns denn dem lieben Herrn
mit unserm Kreuz nachgehen
und wohlgemut, getrost und gern
in allem Leiden stehen.
Wer nicht gekämpft, trägt auch die Kron
des ewgen Lebens nicht davon.

Angelus Silesius (1624–1677)